Das Zusammenrücken der islamischen Welt

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 16.12.2017

Wende für den Nahen Osten durch Konferenz der Organisation für Islamische Zusammenarbeit

Am Donnerstag 13.12 trat in Istanbul die Organisation für Islamische Zusammenarbeit zu einem Gipfeltreffen unter dem Vorsitz der Türkei zusammen, das von Präsident Recep Tayyip Erdogan gemeinsam mit dem jordanischen Königshaus organisiert wurde. Diese Konferenz der islamischen Welt wird für den Nahen Osten eine Wende bedeuten. Sie besiegelt die Einheit der arabischen und islamischen Welt für die Sache Palästinas. In der Tat findet hier Palästina wirkliche Wertschätzung und Unterstützung für seine gerechte Sache. Diesbezüglich hat der jordanische Außenminister Ayman al-Safadi schon am Samstag 9.12. das Problem Israel als illegitimer Besatzer in den Vordergrund gerückt: <Die „fortdauernde israelische Besatzung palästinensischen Landes“ sei nun die größte Herausforderung für die Region, sagte al-Safadi auf der Sicherheitskonferenz IISS Manama Dialog in der bahrainischen Hauptstadt. Kein Thema habe mehr Potenzial, die arabische Welt aufzubringen und die Gefühle der Muslime weltweit zu verletzen, als einseitig den Status von Jerusalem zu verändern, der Stadt, die Muslimen, Christen und Juden gleichermaßen heilig ist.> („Ende der Neutralität – Arabische Politiker kritisieren Trumps-Jerusalem-Entscheidung“ von Paul-Anton Krüger, SZ 11.12.)

Zionisten haben keinen Platz in Palästina.

Zionisten in Jerusalem hatten nie vor, einen Palästinenserstaat zu akzeptieren. Jerusalem ist die Hauptstadt Palästinas, das Land, wo Muslime, Christen und Juden auf gleichberechtigter Grundlage leben und ihre Weltreligionen auf dem Boden historischer Zeugnisse frei bezeugen können müssen. US-Vizepräsident Mike Pence ist in Palästina Persona non grata, unerwünscht. Nicht nur der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hatte ein Treffen mit ihm abgesagt, sondern auch christliche Repräsentanten der heiligen Stätten in Bethlehem und Jerusalem weisen ihn ab und fordern Vertreter anderer Religionen zu einem Boykott auf. Also nicht nur Muslime, sondern auch Christen verweigern Treffen mit ihm. Priester und Vertreter der christlichen Kirchen haben sich den palästinensischen Protesten gegen die US-Entscheidung angeschlossen. („Nur für Pilger – US-Vizepräsident Pence verschiebt seinen Besuch im Heiligen Land“ von Alexandra Föderl-Schmid, SZ 15.12.) Die Trumpsche Unterstützung des zionistischen Expansionismus diskreditiert endgültig die USA als glaubwürdigenVermittler im Nahen Osten und besiegelt ihr Aus. Die USA und Israel sind völlig isoliert.

Israel, ein Terror-Staat

In der Eröffnungsrede der Konferenz der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (Organisation for Islamic Cooperation OIC) in Istanbul am 13.12. wurde Israel als Terror-Staat bezeichnet, eine Kennzeichnung, die schon Judith Bernstein impliziert, als sie sagte: „Man könnte von einem jüdischen IS sprechen.“ („Jerusalem – das Herzstück des israelisch-palästinensischen Konflikts“ von Judith Bernstein, aus dem Vortrag vom 3.10.17 im Münchner Gasteig, Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe München)

Bevölkerungsreichste islamische Staaten mit schnell wachsendem Einfluss Indonesien und Malaysia vereint mit arabischen Staaten für die Sache Palästinas

Das Zusammenrücken der islamischen Welt lässt hoffen, dass die muslimischen Völker die Probleme ihrer Region konstruktiv zusammen lösen werden, auch die Sache Palästinas. Die 31. OIC-Konferenz (12.-15.12.17) fand unter Teilnahme von 500 in- und ausländischen Gästen statt unter dem Motto „Einheit und die Anforderungen an eine moderne islamische Zivilisation“. Hier war die gesamte islamische Welt mit ihren Regierungsvertretern und Staatsoberhäuptern versammelt. Die bevölkerungsreichsten islamischen Staaten bleiben dabei in Deutschland außerhalb des medialen Fokus, sind aber bedeutende, an Wirtschaftsmacht und Einfluss schnell wachsende Länder: Indonesien (rund 260 Millionen Einwohner, +5% Wirtschaftswachstum BIP 2015/16) und Malaysia (rund 32 Millionen Einwohner, +4,2% Wirtschaftswachstum BIP 2015/16).

Iran, die eigentlich stärkste Regionalmacht

Auch der Iran gewinnt an Gewicht als eigentlich stärkste Regionalmacht im Mittleren und Nahen Osten, primäre alte Zivilisation und Kultur dieser Region, die in der Tat Frieden stiftet und die Macht dazu ausübt. Gemessen an seiner geografischen Lage, seiner Bevölkerung und Bodenschätze ist der Iran potentiell wichtiger und mächtiger als die Türkei. Gerade deshalb wird Teheran von den kriegstreiberischen Regimes Israels und Saudi-Arabiens politisch angegriffen und verleumdet. Irans Präsident Hassan Rohani hatte die internationalen Verhältnisse im Nahen Osten richtig abgewogen, als er in einer Fernsehansprache am Sonntag 10.12. sagte, man könne „gute Beziehungen“ zu Saudi-Arabien haben, wenn das Land seine „fehlgeleitete Freundschaft“ mit Israel und die Bombardierung Jemens beende. Das ist ein vernünftiges, freundschaftlich gesinntes Angebot, das in der arabischen Welt auf offene Ohren trifft und der Perfidie, ja der Botschaft völlig widerspricht, die vom israelischen Premiers Netanjahu ausgeht, nämlich der Feindschaft und des Hasses. Dem vom iranischen Präsidenten Rohani signalisierte Ausweg ist zu folgen. Gute Beziehungen mit Teheran sind für jedes Land eine Bereicherung. <Den Einfluss des Iran zu verringern, wenn nicht gar Regime-Change – das war und ist erklärte Politik der USA und der Golfstaaten. Ölinteressen und globale Machtpolitik bestimmen die Aktionen im Nahen Osten. Das Ergebnis sind zerstörte Staaten und huimanitäre Katastrophen. Doch von ihren Kriegszielen und von „Teheran“ sind die USA und die Golfstaaten weiter entfernt als 2003. Der Weg nach Teheran ist nach wie vor versperrt.> („Der Weg nach Teheran“ von Manfred Ziegler, UZ 15.12.)

Ajatollah Ali Chamenei: Für die Befreiung Palästinas kämpfen

In der Sache Palästina sind sich die arabische und die restliche islamische Welt einig. „Die Palästina-Frage steht ganz oben in der Politik der islamischen Völker. Alle sind verantwortlich, sich um die Befreiung Palästinas zu bemühen und dafür zu kämpfen.“ So der oberste Geistliche des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, vor dem Gipfel in Istanbul. <Die OIC kritisierte die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, als „einseitig, illegal und unverantwortlich“, sie gefährde den Frieden und die Sicherheit. … Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas kündigte an, sich jetzt bei den Vereinten Nationen um eine Vollmitgliedschaft zu bemühen, … die USA nicht mehr als Vermittler in Nahost zu akzeptieren und forderte die UN auf, diese Rolle einzunehmen.> ( „Erdogan macht Front gegen die USA“ von Paul-Anton Krüger, Luisa Seeling, SZ 14.12.) Die Sache Palästina ist in der Tat der UN-Vollversammlung vorzulegen, die sich erneut mit der Palästina-Frage befassen sollte. Dabei ist auf die Fehlentscheidung der Vereinten Nationen 1947 einzugehen, nämlich die willkürliche Teilung Palästinas. Wichtig ist auch zu erkennen, dass die USA innerhalb der UN-Vollversammlung kein Vetorecht haben. Dies haben sie allein im UN-Sicherheitsrat.

Stabilität und Ruhe für Syrien mit Hilfe von Russland, China, Iran und aller blockfreien Länder

Die syrische Gesellschaft stellt ein schönes Mosaik von Ethnien, Religionen und Kulturen dar. Die gewaltsame Intervention des Westblocks zielt auch darauf, dieses Mosaik zu zerbrechen, ungeachtet davon, dass der Konflikt damit noch unberechenbarer und das friedliche Zusammenleben unter den Religionsgruppen definitiv zerstört würde. Russland, China, Iran und viele andere souveränen Staaten verfolgen dagegen das Ziel, Syrien dabei zu helfen, dass wieder Stabilität und Ruhe in das Land einkehrt, und zwar besonders mit konstruktiver Hilfe der Länder der Region und durch internationale Organisationen. Alle Teilnehmer der Blockfreien-Konferenz in Teheran am 30./31. August 2012 haben sich gegen die Gewalt in Syrien und „für eine nationale Lösung ohne ausländische Einmischung“ ausgesprochen. Die USA verletzen massiv UN-Normen, seitdem die Regierung Obama/Clinton militante Gruppen und Terroristen bewaffnen und einen terroristischen Krieg in Syrien betrieben haben. Für diese massive Verletzung von UN-Resolutionen müssen sich die USA strafrechtlich verantworten. Europa muss sich fragen, ob diese massive US-Verletzung von UN-Normen und UN-Resolutionen mit EU-Normen und europäischen Grundwerten vereinbar ist. Das ist auch eine Frage an den deutschen Außenminister Sigmar Gabriel und Justizminister Heiko Maas.

Gesamter Naher Osten als Zone ohne Massenvernichtungswaffen schaffen

Anstatt in den verlogenen, gezielt infamen Schwindel gegen Iran als atomare Gefahr zu verfallen, sollte die EU geeignete Maßnahmen gegen den sich ankündigenden Aggressor Israel vorschlagen, nämlich Israels Status in der EU abzuerkennen oder auszusetzen. Außerdem sind gleichzeitig Konferenzen für die nukleare Abrüstung in der Region zu organisieren. Die Öffentlichkeit muss sich jetzt den Massenvernichtungswaffen in Israel widmen, ein Arsenal von über 200 Atomwaffen. Den Nahen Osten als eine atomwaffenfreie Zone zu schaffen, verpflichtet Israel, sein enormes unverhältnismäßiges Atomwaffenarsenal aufzugeben. Sonst wird eklatant gegen UN-Resolutionen verstoßen (Nr. 687 und Nr.1284 unter anderen).

Ein glaubwürdiger Schritt auf der Suche nach einem stabilen Frieden im Nahen Osten besteht darin, eine Zone frei von Massenvernichtungswaffen im gesamten Nahen Osten zu schaffen. In diese Aufgabe sind alle Länder der Region zu integrieren. Der Iran und Syrien haben dazu schon die Initiative vorgelegt.

Ablenkungsmanöver des israelischen Premiers Netanjahu: Iran

Von einer Friedensbedrohung durch den Iran zu reden, ist ein einkalkuliertes Ablenkungsmanöver des israelischen Premiers Netanjahu, aber eine bodenlose, haltlose Anschuldigung: Der Iran bedroht weder die USA noch seine Nachbarstaaten mit Krieg. Der Iran stellt keine reale Gefahr dar. Wenn die EU-Staaten wirklich für Frieden und Stabilität in der Region entschlossen eintreten und für eine anständige Zukunft aller ihrer europäischen Völker arbeiten wollen, dann muss man nicht den Druck auf den Iran verstärken, sondern auf Israel und auf die USA, um sie zum Frieden und zur Abrüstung zu zwingen. Irans Präsident Hassan Rohani kritisierte die Kollaboration Saudi-Arabiens und der Emirate mit den USA und „dem zionistischen Regime“. („Erdogan macht Front gegen die USA“ von Paul-Anton Krüger, Luisa Seeling, SZ 14.12.) Kein Volk der Erde würde akzeptieren, mit der Unterdrückung zu koexistieren. Die Freiheit und Gleichberechtigung des palästinensichen Volks ist seit langem überfällig. Wenn grundlegende und zwingende Normen des Völkerrechts missachtet werden, hat die internationale Staatengemeinschaft die Pflicht, sich gegen diese Missachtungen zu stellen, und zwar durch eine Politik der Nicht-Anerkennung. Dazu sind alle arabischen Staaten aufgerufen und verpflichtet. Entziehen sich Saudi-Arabien und die Emirate diesen grundlegenden und zwingenden Normen des Völkerrechts, verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit vor der eigenen muslimischen Bevölkerung.

Gemäß eines Berichts von UN-Generalsekretär Antonio Guterres an den Weltsicherheitsrat erfüllt der Iran seine Verpflichtungen aus dem 2015 geschlossenen Atomabkommen. <Er (der UN-Generalsekretär) sei zuversichtlich, dass die USA das Abkommen, das von den ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates, Deutschland und dem Iran ausgehandelt worden war, weiter unterstützen. … Es gebe derzeit keine Bestrebungen, Sanktionen gegen den Iran wiederaufleben zu lassen, erfuhr die dpa aus dem US-Senat. … Die Agentur betonte, dass auch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA mehrfach bestätigt habe, dass Teheran sich an die Vereinbarungen halte.> (UN-Generalsekretär dementiert Trump, Vereinte Nationen: Iran erfüllt Atomabkommen von 2015. Tagung in Wien“ Junge Welt, 13.12.)

Sich gegen die koloniale Unterdrückung durch den Zionismus wehren

Die jüdische Soziologin Judith Butler richtet den Blick auf die zionistischen Kolonialisten, wie Evelyn Hecht-Galinski informiert: <„Ebenso, wie man sich gegen die hegemoniale Kontrolle des Judentums durch den Zionismus wehren muss, muss man sich auch gegen die koloniale Unterdrückung wehren, die der Zionismus dem palästinensischen Volk gebracht hat.“ … Die „Demontage des politischen Zionismus“ wird so die Voraussetzung für Koexistenz. Eine neue postzionistische Ethik könnte die Grundlage für eine Zeit nach der Besetzung bilden – als besetzt gilt für Judith Butler ganz Israel, da sie bereits die Staatsgründung für unrechtmäßig hält.> („Existenzrecht für ein freies Palästina“ von E. Hecht-Galinski)

Neue Wege beschreiten

In ihrem Abschlusskommuniqué vom Januar 2017 stellte die Katholische Bischofskonferenz fest, dass ein gerechter Friede immer noch nicht gefunden sei und auf der Suche nach Gerechtigkeit und Frieden neue Wege beschritten werden müssten. (DBK-Pressemeldung: 17. Internationales Bischofstreffen für Solidarität mit der Kirche im Heiligen Land, 14.-19. Januar 2017. Abschlusskommuniqué Fünfzig Jahre Besatzung fordern zum Handeln auf.)

Sich mit der Palästina-Frage in UN-Vollversammlung befassen

Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres ist aufgerufen, einen Ausweg und eine gerechte Alternative zur jetzigen irrsinnigen Lage zu ermöglichen, und zwar auf ihren Ursprung zurückzukommen, nämlich die Fehlentscheidung der Vereinten Nationen 1947, das Land willkürlich geteilt zu haben. Anstatt an einem gescheiterten Plan von gestern festzuhalten, sollte der UN-Generalsekretär die UN-Vollversammlung beauftragen, sich mit der Palästina-Frage zu befassen. Hier kann er an die korrekte Entscheidung der Truman-US-Administration anknüpfen, die schon damals die Teilung als Fehlentscheidung zu erkennen wusste. Die USA zogen damals ihre Zustimmung zum Teilungsplan zurück (19.3.1948). US-Präsident Harry Truman schlug vor, Palästina unter den Schutz der Vereinten Nationen (UN) zu stellen, sollte Großbritannien abziehen. Schlimmerweise kam Israel den USA in die Quere und setzte sich über den Willen der Weltstaatengemeinschaft hinweg: Israel wurde als unabhängiger und souveräner Staat (14. Mai 1948) ausgerufen trotz der speziellen Démarche der UN, die Unabhängigkeitserklärung zu verschieben.

Diese historische Realität darf kein UN-Generalsekretär, kein Außenpolitiker ignorieren. Die Lage ist konsequent richtigzustellen, um einen gerechten Frieden in Palästina zu erreichen.