Zäsur

Nahostpolitik

Von Luz María De Stéfano Zuloaga de Lenkait, Juristin und Diplomatin a.D., 09.08.2018

Betr.: Presseclub vom 5.8.18: „Debattenkultur im Zeitalter der kollektiven Erregung: Lass uns trefflich streiten“ und Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 6.8.18, Rubrik „Außenansicht“ : „Welt ohne Atomwaffen“ von Sascha Hach

Medien unzuverlässig und unglaubwürdig in den Augen der meisten Deutschen

80% der deutschen Bevölkerung, also eine überwältigende Mehrheit der Deutschen hält die Medien für unzuverlässig, unglaubwürdig, da sie nicht sachlich sondern sensationalistisch berichten. Deutsche Medien sind in eine Zeit der Gegenaufklärung verfallen. Von „Steinzeit“ sprach Bettina Gaus in der Sendung „Presseclub“ vom 5.8.18. Journalisten lassen ihr Urteilsvermögen, ihre Urteilskraft beiseite, statt unvoreigenommen und selbstsicher die Zeit der Ernüchterung, des Umbruchs zu erkennen. Wieso fürchten sie einen Neuanfang?

Verbreitung von Fake News, Ablenkungsmanövern und Geschichtsfälschung durch Medien

Nicht nur erleben wir die Verbreitung von Falschmeldungen („Fake News“) und Ablenkungsmanöver sondern auch die grobe Fälschung der Geschichte durch die Medien. <Derzeit versucht man im Westen, die Geschichte umzuschreiben und den Beitrag der UdSSR zum Sieg sowohl über das faschistische Deutschland als auch über das militaristische Japan herunterzuspielen. „Jedoch zwang der sowjetische Eintritt in den Krieg in der Nacht zum 9. August aufgrund der Bündnistreue die japanische Führung dazu, am 15. August die Kapitulation zu verkünden. Der Angriff der Roten Armee auf die Kräfte der Kwantung-Armee entwickelte sich schnell, und im Großen und Ganzen führte das zum Ende des Zweiten Weltkriegs“, sagte der Historiker im Museum des Sieges Alexander Michailow im Gespräch mit RT… Wie der Japanologe Wiktor Kusminkow von der Russischen Akademie der Wissenschaften meinte, sei die „militärische Zweckmäßigkeit“, Japan mit Nuklearwaffen zu schlagen, nur die offizielle Version der Führung der Vereinigten Staaten. Laut Kusminkows Kollegen Waleri Kistanow hält die amerikanische Version keiner Kritik stand: Es gab keine militärische Notwendigkeit für diese barbarische Bombardierung. Heute wird diese Tatsache sogar von einigen westlichen Forschern anerkannt. In der Tat wollte Truman in erster Linie die UdSSR mit der Zerstörungskraft der neuen Waffe einschüchtern und in zweiter Linie die enormen Kosten ihrer Entwicklung rechtfertigen. Aber es war allen klar, dass der sowjetische Kriegseintritt diesen beenden würde“, sagte er.> (RTdeutsch 6.8.18)

Eine andere wiederholte Geschichtsfälschung der Medien betrifft Polen, das immer wieder als Opfer der Sowjetunion dargestellt wird und nicht als Aggressor gegen die Sowjetunion, wie es tatsächlich der Fall war: 1920 überfiel Polen – obwohl nach 125 Jahren Inexistenz erst in Versailles 1918 gegründet – seine Nachbarn im Osten: Weissrussland und die Ukraine. Zum Beispiel Minsk, Hauptstadt von Weissrussland, und Gebiete dieser damaligen Sowjetrepublik innnerhalb der Sowjetunion blieben sogar bis 1939 polnisch besetzt. Vor dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion gab es keine Okkupation Polens durch die Sowjetunion und keine Verschiebung Polens nach Westen zu Gunsten der Sowjetunion und zu Ungunsten Deutschlands, sondern die Rote Armee machte an der Curzon-Linie halt, die in Versailles als Polens Grenze festgelegt worden war auf Vorschlag des damaligen britischen Außenministers Lord Curzon. Dieses Vorgehen der Roten Armee war völkerrechtsmäßig und außerdem militärisch sinnvoll, denn es verschaffte der Sowjetarmee mehr Raum und sorgte dafür, dass die Ausgangsposition der deutschen Wehrmacht beim Angriff auf die Sowjetunion weiter westlich gelegen war, so dass es gelang, sie an dem Einmarsch in Moskau und Leningrad (heutiges Sankt Petersburg) zu hindern.

Eine weitere, ständig wiederholte Falsch-Darstellung der Medien betrifft den von NATO-Staaten angezettelten und finanzierten terroristischen Krieg in Syrien, den sie fälschlicherweise als „Bürgerkrieg“ betiteln. Darüberhinaus verschweigen die Medien alle erfolgreichen Schritte der syrischen Regierung, um ihr gesamtes Land von Terroristen zu befreien und es der Kontrolle der syrischen Regierung wieder zu unterstellen.

Medien gesellschaftlich organisieren – nicht länger privatwirtschaftlich

Wenn sich Qualitätsjournalismus nicht lohnt, weil er nicht finanziert werden kann, dann muss man in Betracht ziehen, die Medien anders zu organisieren, gesellschaftlich und nicht länger privatwirtschaftlich. Pressefreiheit ist nicht dazu da, um unvollständige oder falsche Meldungen zu verbreiten oder im Interesse von großen Anzeigenkunden, von Konsortien oder korrupten politischen Eliten zu arbeiten, sie zu decken, jene, die sich weigern den Status-Quo, der sich gegen die Interessen der breiten Mehrheit richtet, zu ändern.

Ablenkung der Medien von aktuell wichtigsten Themen, darunter Aufrüstung

Die öffentliche Debatte immer wieder auf die Migration zu lenken, lässt die wichtigsten aktuellen Themen der Gesellschaft außer Acht: Die Zukunft der EU und die soziale Frage, der bodenlose Druck zur weiteren Aufrüstung, die NATO als Gefahr für den Frieden und Hindernis bei der vollständigen Integration Europas gemeinsam mit Russland, die Abrüstung und Abschaffung der nuklearen Waffen. So wie im Kalten Krieg das Phantom des „gefährlichen Kommunismus“ ausgenutzt wurde, um eine zügellose Aufrüstung und sinnlose Konfrontation zu betreiben, will man auch heute einen künstlichen Ost-West Konflikt konstruieren, um die NATO am Leben zu erhalten und aufzurüsten.

Nukleares Zeitalter beenden

Mit dem US-Abwurf der Atombomben auf Hiroshima (6.8.1945) und Nagasaki (9.8.1945) begann das schreckliche Zeitalter der atomaren Aufrüstung, das die USA einführten und ihnen damit jede Ehre nahm. <Am Rand der Potsdam-Konferenz traf Präsident Truman die Entscheidung zum Abwurf der Atombomben. Die Bundesrepublik trägt daher in ihrer Außen- und Nuklearpolitik eine Verantwortung, dass sich ein solcher Massenmord niemals wiederholt und das nukleare Zeitalter beendet wird.> So Sascha Hach, Friedensforscher und Mitgründer des deutschen Zweigs der Anti-Atomwaffen-Organisation ICAN ganz richtig in seinem Artikel „Welt ohne Atomwaffen“ in der SZ-Außenansicht vom 6.8.18.

Internationale Verantwortung in der jetzigen Weltlage

Sollte die Berliner Regierung ihre internationale Verantwortung in der jetzigen Weltlage sachlich und zutreffend wahrnehmen, muss sie sich eindeutig einer denuklearisierenden Weltordnungspolitik zuwenden, und zuallererst dem Vertrag zum Verbot von Atomwaffen beitreten, der schon am 7. Juli 2017 von 122 Staaten unterzeichnet wurde. <Nur durch den Zusammenschluss gleichgesinnter Kräfte kann die nukleare Ordnung neu justiert und die Abschreckungspolitik marginalisiert werden.> So treffend die Einschätzung von Sascha Hach. Deutschlands ordnungspolitische Rolle liegt an der Seite der nicht-nuklearen Mächte, die Abrüstung anstreben. Das Völkerrecht ist wiederherzustellen und mit ihm sind alle UN-Resolutionen zu befolgen, die eine Welt ohne Atomwaffen beschlossen haben.

Völkerrechtswidriges Bündnis, das mit Terroristen paktiert, verdient kein Vertrauen

Die NATO verliert in der Tat an Bindekraft und das lässt auf bessere Zeiten hoffen, denn ein völkerrechtswidriges Bündnis, das mit Terroristen paktiert, verdient kein Vertrauen. Nuklearen Schutz zu suchen, ergibt keinen Sinn, bei niemanden und nirgendwo. Kontinuität mit irrsinnigen Dogmen ist die falsche Strategie. <Es ist an der Zeit, einen neuen Ordnungsrahmen zu schaffen…. Es nützt nicht, sich geo- und nuklearpolitisch an die untergegangene Epoche westlicher Abschreckungspolitik zu klammern. … Den Abzug der hier stationierten US-Atomwaffen einzuleiten und sich von der Doktrin der nuklearen Abschreckung abzuwenden>, steht auf der außenpolitischen Tagesordnung. <Nur durch eine engere und gleichberechtigte Zusammenarbeit auch mit Akteuren in Afrika, Asien und Lateinamerika können die Pfeiler für eine neue Ordnung gesetzt werden… Raum für eine neue, multilaterale Abrüstungspolitik muss geöffnet werden.> („Welt ohne Atomwaffen“ von Sascha Hach, SZ-Außenansicht 6.8.18)

Aggressive Interventionspolitik der westlichen, nuklear bewaffneten Mitglieder des UN-Sicherheitsrates

Bei der Zusammenstellung und Funktion des UN-Sicherheitsrates fehlt bei Sascha Hach eine gründliche und umfassende Betrachtung und Überlegung: Das Veto der Mitglieder des UN-Sicherheitsrates schafft keine „Geschicke“. Konsens im Sicherheitsrat gibt es seit langem nicht mehr. Grund dafür ist die aggressive Interventionspolitik der westlichen, nuklear bewaffneten Mitglieder USA, Großbritannien und Frankreich, die unzählige Kriege und Massaker im Nahen Osten verursacht haben: Irak, Libyen, Syrien. Ein imperialistischer Aggressionskrieg nach dem anderen findet seit dem Angriff auf Afghanistan am 1.10.2001 statt, ebenso verdeckte Aktionen mit dem gleichen Ziel, „Regime Changes“ durchzuführen und „ungehorsame“ Staaten platt zu machen. Das Völkerrecht ist von den NATO-Staaten wiederholt gebrochen und unterminiert worden

Deutschland weiter im Debakel verheerender Interventionspolitik des Westens?

Dank der Vetomächte Russland und China haben die westlichen Interventen nicht weiteres und größeres Übel anrichten können. Aber nicht nur die Vetomächte Russland und China opponieren der verheerenden Interventionspolitik des Westens, sondern auch alle anderen nichtständigen Mitglieder des Sicherheitsrates. Die Zäsur gegenüber den westlichen nuklearen Interventionsmächten ist schon signalisiert. Die entscheidende Frage, ob sich Deutschland weiter in dieses Debakel verwickeln lassen wird, bleibt offen bisher. Wollten Deutschland und Europa der Herausforderung gerecht werden, sich der neuen, multipolaren Ära zu stellen und sie mitzugestalten, müssen sie ihre verhängnisvolle Bindung an die Interventionsmächte definitiv beenden. Richtig ist die Mahnung von Sascha Hach, dass die bevorstehende Modernisierung und Aufrüstung der hier gelagerten B61-Bomben und ihrer Trägersysteme gestoppt werden müsse.

Völkerrechtsmäßige Außenpolitik Deutschlands und Europas erforderlich

US-amerikanische Interessen, die mit Terror und Trug verfolgt werden, sind überhaupt nicht mit deutschen und europäischen Interessen gleichzusetzen, schon gar nicht mit den Interessen der US-amerikanischen Bevölkerung selbst. Hier ergibt sich eine markante Zäsur, eine notwendige fundamentale Zäsur, die eine grundsätzliche Korrektur und das Betreiben einer völkerrechtsmäßigen Außenpolitik Deutschland und Europas erfordert.

Unrechtmäßige Organisation NATO auflösen

Seit dem 8. Juli 1996 besteht eine explizite und einstimmige Resolution des internationalen Gerichtshofes in Den Haag, die die Produktion von Nuklearwaffen untersagt und die NATO-Strategie als unrechtmäßig verurteilt. Trotzdem gab es und gibt es immer noch keine Initiative auf europäischer Ebene oder in den USA, die seitdem unrechtmäßige Organisation NATO aufzulösen. Im Gegenteil dulden die europäischen Regierungen immer noch das mörderische Kernwaffen-Arsenal auf ihrem Territorium, ohne konsequente Schritte gegenüber ihrem Hauptpartner USA zu unternehmen, die rücksichtslos grob das internationale Gesetz missachten. Die vereinbarte Pflicht der NATO, sich abzurüsten, festgeschrieben in der Abschlusserklärung des NATO-Gipfel in Lissabon von 20.11.2010 bleibt unerfüllt, missachtet. Gegen diese Abrüstungspflicht verstößt auch die Modernisierung der Atomwaffen. Angesichts der Untätigkeit oder Unterlassung der amtlichen deutschen Regierung angemessen auf diese gravierenden Verstöße zu reagieren, ist die Initiative „Aufstehen“ von Sahra Wagenknecht und anderen fortschrittlichen Persönlichkeiten von großer Bedeutung und Tragweite. Die Mehrheit der Deutschen, die die NATO ablehnen, ist hier zu artikulieren.

Sich im fortschrittlichen linken politischen Spektrum bündeln

Alle Kräfte der Gesellschaft, von fortschrittlichen Christen bis Humanisten sollten sich im fortschrittlichen linken politischen Spektrum bündeln. Einzelne Sozialdemokraten, wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow, und die Grüne Antje Vollmer, bis 2005 Vizepräsidentin des Bundestages sind selbstverständlich dabei. Sicherlich auch die einstige Präsidentin des Bundestages, Prof. Dr. Rita Süssmuth (CDU), die 1991 eine Verleumdungskampagne der Medien, darunter Süddeutsche Zeitung, erleben musste wegen ihrer eindeutigen Position gegen den Krieg als Mittel der Politik.

Die neue fortschrittliche linke Sammlungsbewegung ist notwendig und sinnvoll gegen die Paralysierung der Gesellschaft durch die Regierung Merkel und wichtig, um die vorherrschende Politikverdrossenheit zu überwinden. Das Ziel ist die Neubestimmung unserer Wirtschaftordnung, denn die neoliberale Ideologie hat sich in verheerendem Ausmaß als gescheítert erwiesen. Umfragen enthüllen, dass es derzeit keinen rechten, reaktionären Zeitgeist in Deutschland gibt, sondern eine Mehrheit für fortschrittliche, linke Forderungen. Die Medien verschweigen und verdrehen diese Realität, denn sie hängen am Status-Quo und sind nicht imstande, die notwendige Wende zu fördern, die nur mit der Partei DIE LINKE zu schaffen ist. Es ist völliger Unsinn, die Sammlungsbewegung als eine Gefahr für diese Partei zu sehen. Im Gegenteil. Die linke, fortschrittliche humanistische Botschaft wird dadurch besser auf die breite Gesellschaft wirken können.

Zeit der NATO endgültig vorbei: Friedens- und Sicherheitsordnung für ganz Europa mit Russland

Die Sicherheit Deutschlands und Europas beginnt auf der Basis einer zivilisierten Außenpolitik, die noch gestaltet werden muss. Dass Berlin sie bisher nicht konzepiert hat, spricht für die Regierungsunfähigkeit und Unverantwortlichkeit des Regierungskonglomerates von CDU/CSU/SPD-Politikern. Europa braucht gewiss ein System gemeinsamer Sicherheit, und zwar ganz Europa zusammen mit Russland. Die Kohl-Genscher-Regierung war sich darüber völlig im Klaren. Die verschiedenen Merkel-Regierungen haben diese zentrale Aufgabe bisher beiseite gelassen. Die Unterlagen für das Projekt einer Friedens- und Sicherheitsordnung für ganz Europa mit Russland eingeschlossen, also von Lissabon bis Wladiwostok, liegen seit der Regierung Kohls und Genschers im Bundeskanzleramt und im Auswärtigen Amt. Durch die Realisierung dieses Projektes einer Friedens- und Sicherheitsordnung für ganz Europa wird die NATO abgelöst. Die Zeit des Militärbündnisses ist jedenfalls endgültig vorbei.