Bilanz der neunmonatigen Verhandlungsgespräche

Nahostpolitik

In den vergangenen neun Monaten hat Israel in seiner Rolle als Besatzer und Unterdrücker de facto alles getan, um die palästinensischen und internationalen Bemühungen mit Blick auf die Zwei-Staaten-Lösung zu sabotieren:

Am Montag erklärte Israel einen Stopp aller palästinensischen Bauprojekte in der Westbank, sog. C-Gebiete. Betroffen sind von diesem israelischen Sanktionsbeschluss rund 600 Wohnbauten in Palästina, darunter auch fünf aus dem Ausland finanzierte Projekte. Hintergrund dieser israelischen Strafmaßnahme ist der von Präsident Abbas am 01. April unternommene Schritt, den Beitritt zu 15 internationalen Konventionen und Vereinbarungen zu beantragen – ein Schritt, der im Zuge der Staatlichkeit Palästinas und als ausdrückliche Begrüßung europäischer Richtlinien nur konsequent und folgerichtig ist.
Während der Friedensgespräche, die in einem Friedensvertrag auf Grundlage der Zwei-Staaten-Lösung münden sollten, genehmigte Israel allein 6.200 neue Siedlungseinheiten in der Westbank und damit auf palästinensischem Gebiet. Dies entspricht 13.851 Wohneinheiten in der Westbank und in Ost-Jerusalem. Im Ergebnis bedeutet dies, dass Israel in dem neunmonatigen Verhandlungsprozess vier Mal so viele Wohneinheiten wie in den vorangegangenen Jahren genehmigt hat. Konkret sind damit rund 50 Häuser pro Tag und 1.540 Häuser pro Monat auf palästinensischem Gebiet neu gebaut worden.
Während der Friedensgespräche kündigte Israel, nachdem Präsident Abbas die 15 Beitrittserklärungen unterschrieben hatte, den Abbruch aller offiziellen Kontakte zur palästinensischen Regierung an, nur zwei Tage später gefolgt von der rechtsgrundlosen Nichtauszahlung der Steuergelder in Höhe von rund 100 Millionenen Dollar monatlich, die Israel für die palästinensische Regierung einnimmt.
Während der Friedensgespräche kamen tägliche Verhaftungen und Misshandlungen der palästinensischen Bevölkerung hinzu: Noch immer befinden sich 5.000 Palästinenser, darunter 19 Frauen und 200 Kinder in israelischer Haft. Unter ihnen sind auch jene Häftlinge, die von Israel trotz Vereinbarung am 29. März nicht freigelassen worden sind.
Während der Friedensgespräche unterzeichnete Hamas eine Versöhnungsvereinbarung und akzeptierte das Mandat der PLO als Verhandlungsführerin. Anstatt, wie durch die EU geschehen, die vor einer Woche getroffene innerpalästinensische Einigung zu begrüßen und ihr die entsprechende politische Ankerkennung zukommen zu lassen, sprach Ministerpräsident Netanyahu von einer Entscheidung gegen den Frieden.
Der Gaza-Streifen ist ein integrativer Teil des Staates Palästina und nur eine klar legitimierte palästinensische Regierung ist in der Lage, den historischen Kompromiss auszuhandeln. Deshalb stärkt der Versöhnungsprozess die Chance auf eine demokratische Zukunft des Staates Palästina.
All diese israelischen Repressionen dienen der Beschneidung demokratischer Rechte und Freiheiten der palästinensischen Bevölkerung. Sie zielen auf die territoriale Expansion Israels und den dauerhaften Erhalt der völkerrechtswidrigen Besatzung in Palästina. Es ist eine Tatsache, dass die Mehrheit der in der israelischen Regierung vertretenen Parteien die Zwei-Staaten-Lösung, egal in welchen Grenzen, strikt ablehnt.
Die ständig widerkehrenden Äußerungen israelischer Regierungsmitglieder, dass die Palästinenser zu keinem Frieden bereit sind, sind schlichtweg falsch. Kein besetztes Volk ist de jura verpflichtet, sämtliche vom Besatzer diktierte Bedingungen und Forderungen anzunehmen, darunter dauerhafte Militärkontrolle und Landbesetzung, Kontrolle über Bodenressourcen und Wasservorräte.
Trotzdem sprach sich Präsident Abbas für eine Verlängerung der Verhandlungen aus und forderte völlig zu Recht die Freilassung der vierten und letzten Gruppe der palästinensischen Häftlinge, eine klare Grenzziehung innerhalb von drei Monaten und einen Stopp des Siedlungsbaus. Diese Haltung wird einer Umfrage des Jerusalemer Medien- und Kommunikationszentrums (JMCC) zufolge von der Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung gestützt. Mehr als 62% sprachen sich für eine Verlängerung der Verhandlungen aus.
Solange Israel sich nicht ernsthaft mit den palästinensischen Verhandlungsangeboten befasst, wird der Staat Palästina eine Internationalisierung des Konfliktes weiter konsequent vorantreiben. Sicherheit, Stabilität und Harmonie mit den benachbarten Staaten werden für Israel unerreichbar bleiben. US-Außenminister Kerry’s kolportierte Äußerung, dass Israel Gefahr laufe, zu einem Apartheidstaat zu werden, ist längst Wirklichkeit geworden. Israel muss ethnische Legitimität erwerben, um eines Respekts in der Weltgemeinschaft würdig zu sein.
Quelle: Palästinensische Mission, 30.04.2014